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Können Lieferanten jetzt ihre Lieferverträge einseitig anpassen?

Der Überfall Russlands auf die Ukraine belastet viele Lieferketten. Einige Lieferanten versuchen die Verträge zu ihren Gunsten anzupassen. Es lohnt sich, genau hinzuschauen.

Können Lieferanten jetzt ihre Lieferverträge einseitig anpassen?

Der Überfall Russlands auf die Ukraine belastet viele Lieferketten. Rohstoffe, die aus der Ukraine oder Russland bezogen wurden, können zum Teil gar nicht mehr geliefert werden. Bei manchen Produkten werden Vorprodukte knapp. In anderen Fällen wird die Lieferung schwierig, weil viele ukrainische Lkw-Fahrer ausfallen. 

Erste Bäcker berichten, dass ihre Lieferanten die Verträge anpassen wollen und entweder die Belieferung einstellen oder nur zu höheren Preisen liefern wollen. Hier lohnt es sich, die Verträge und die Rechtslange genau zu prüfen.  

Verträge mit Force-Majeur-Klauseln 

Einige Verträge enthalten sogenannte Force-Majeur-Klauseln, also Regelungen, nach denen der Vertrag bei höherer Gewalt anzupassen ist. In der Regel enthalten diese Klauseln genaue Bestimmungen darüber, wann ein Fall von höherer Gewalt vorliegt, und wie der Vertrag dann anzupassen ist. Es ist also entscheidend, ob im Einzelfall Krieg als Fall höherer Gewalt ausdrücklich vereinbart wurde.

Zudem muss der Krieg einen tatsächlichen Einfluss auf die Lieferung haben. So können Lieferketten unterbrochen sein, Lager zerstört werden oder die Produktion selbst eingestellt werden, weil z. B. die Mitarbeiter geflohen sind oder ihr Land verteidigen. Im Falle von Lieferungen aus Russland oder Belarus kann die Lieferung aufgrund von Sanktionen oder Gegensanktionen eingestellt werden. Diese Umstände können sich auch täglich ändern. 

Kein Fall von Force Majeur liegt vor, wenn die Ware zwar faktisch noch geliefert werden kann, der Einkaufspreis jedoch erheblich gestiegen ist.  

In der Regel sehen solche Klauseln vor, dass der Lieferer die Lieferung einstellen kann und nicht verpflichtet ist, die vereinbarte Ware woanders zu beschaffen. Häufig ist er jedoch verpflichtet, seinen Vertragspartner rechtzeitig zu informieren, damit dieser reagieren kann. Enthält der Vertrag eine Force-Majeur-Klausel, sollte diese genau geprüft werden. 

Verträge ohne Force-Majeur-Klausel 

Viele Lieferverträge enthalten keine Force-Majeur-Klausel. Dann kann sich der Vertragspartner auch nicht unmittelbar auf Force-Majeur berufen, auch wenn das gerne durch entsprechende Schreiben behauptet wird. 

Es könnte aber dennoch ein allgemeines Leistungsverweigerungsrecht greifen. Das deutsche Recht sieht eine vorübergehende oder dauerhafte Leistungsbefreiung vor, wenn die vertraglich vereinbarte Leistung für den Schuldner oder für jedermann unmöglich geworden ist. Das könnte dann der Fall sein, wenn die Lieferung aufgrund von Sanktionen oder Gegensanktionen nicht möglich ist oder die Lieferung aufgrund der Unterbrechung der Transportwege oder die Herstellung selbst durch den Krieg nicht mehr möglich ist. 

Kann der Lieferant tatsächlich nicht liefern, muss der Abnehmer seinerseits den vereinbarten Kaufpreis nicht bezahlen. Kann der der Lieferant zwar grundsätzlich liefern, muss die Ware aber z. B. zu einem wesentlich höheren Preis einkaufen, ist das grundsätzlich zunächst allein in seinem Risiko. Eine automatische Anpassung des Preises oder eine Befreiung von der Lieferpflicht kann der Lieferant grundsätzlich nicht geltend machen. Allerdings können beide Seiten ein Dauerschuldverhältnis wie z. B. einen langfristigen Liefervertrag dann vorzeitig kündigen wenn ihnen das Festhalten am Vertrag bei Abwägung der beiderseitige Interessen nicht zumutbar ist.

Tipp des Zentralverbandes

Ob der Lieferant den Vertrag einseitig anpassen oder kündigen kann, kann pauschal nicht gesagt werden. Wichtig ist zunächst, was der Vertrag ausdrücklich vorsieht. Zudem sollten alle Umstände genau geprüft werden. Vor allem aber sollte man sich nicht davon beeindrucken lassen, wenn der Lieferant mit einem offiziell anmutenden Schreiben versucht, aus einem für ihn vielleicht nicht mehr so günstigen Vertrag herauszukommen. Im Zweifelsfall lohnt sich immer, den Vertrag von einem Rechtsanwalt oder dem Berater des Landesverbandes prüfen zu lassen.